top of page

Ich bin kein digitaler Trostspender – ich bin ein Mensch

ree

Über Nähe, die sich anfühlt wie etwas Echtes. Und trotzdem nicht reicht.


In den letzten Jahren habe ich viele Formen von digitaler Nähe erlebt – manche tief und berührend, manche voller Missverständnisse und plötzlichem Rückzug. Dieser Text ist eine Einladung zur Reflexion. Keine Anklage, keine Antwort, sondern ein Versuch, dem auf den Grund zu gehen, was wir eigentlich suchen: echte Verbindung.


In einer Welt, in der viele Beziehungen digital beginnen, hat sich auch unsere Art verändert, Nähe zu erleben.

Ein Emoji hier. Ein spontanes Kompliment dort. Ein tiefer Gedanke mitten in der Nacht.

Schnell entsteht das Gefühl von Vertrautheit – und manchmal sogar von Intimität.


Die digitalen Kanäle machen es leicht, sich mitzuteilen. Schreiben fällt oft leichter als sprechen.

Man kann tiefgründig sein, witzig, verletzlich – alles innerhalb eines Nachrichtenaustauschs.

Und doch: Etwas geht dabei verloren.


Digitale Nähe ist leicht – sie zu halten ist etwas anderes


Durch Bildschirme lassen sich Dinge sagen, die im direkten Kontakt oft verborgen bleiben: Ängste, Wünsche, Fantasien. Unsere Scham scheint mit der Digitalisierung einen Katalysator gefunden zu haben.


Gleichzeitig birgt digitale Kommunikation die Illusion von Kontrolle.

Man kann aussteigen, sich zurückziehen, nicht antworten.

Und häufig geschieht genau das – sobald es konkret wird.


Treffen, die nicht zustande kommen. Verabredungen, die sich in letzter Minute auflösen.

Theoretische Angebote, die Nähe versprechen – und doch im Nichts verschwinden.

Verbindungen, die in Nachrichten intensiv waren, aber nie den Weg ins echte Leben finden.


Zwischenmenschliche Resonanz braucht mehr als WLAN


Wenn Kommunikation Beziehung aufbauen will, reicht Austausch allein nicht.

Sie braucht:


  • Präsenz

  • Konsequenz

  • Unsicherheit, die gemeinsam getragen wird


Digitale Nähe kann ein Anfang sein – aber wenn sie nicht ins reale Leben führt, verliert sie an Bedeutung.

Denn was wir uns zutiefst wünschen, ist nicht nur Aufmerksamkeit, sondern Resonanz.

Nicht nur Kontakt, sondern Verbindlichkeit.


Kein Vorwurf – eine Einladung


Das ist kein Plädoyer gegen digitale Begegnungen. Im Gegenteil – sie öffnen Räume, schaffen neue Möglichkeiten, können tief berühren. Und doch lohnt es sich, ehrlich zu fragen:

Will ich mich wirklich auf einen Menschen einlassen? Oder genieße ich die Nähe nur, solange sie mich nichts kostet?

Wer sich wirklich einlässt – emotional wie körperlich – steht vor der Herausforderung, sich immer wieder auf Halbheiten einzulassen - Imperfektion.

Selbstreflexion wird dabei essenziell.


Jeder von uns trägt sein Päckchen. Und genau das kommt im echten Kontakt zum Vorschein: kein perfekt inszeniertes Leben, sondern ein Mensch – mit Stärken, Narben und einzigartiger Widersprüchlichkeit.

Und vielleicht ist genau das der Punkt: Echtheit passt nicht immer in das Tempo oder die Oberfläche unserer Zeit.


Fazit: Nähe beginnt digital – aber sie bleibt nicht dort


Wer Nähe sucht, verdient es, gesehen zu werden – nicht nur als Text, sondern als Mensch.

Mit allem, was dazugehört: Unsicherheit, Verletzlichkeit, echter Begegnung.


Die digitale Welt kann Brücken bauen. Aber irgendwann müssen wir sie überqueren.

Denn die wahre Schönheit eines Menschen liegt nicht in der Perfektion seiner Worte, sondern in der Echtheit seines Wesens.

Im Stolpern, im Erröten, im Mut, sich trotzdem zu zeigen.

Und genau dafür schlägt mein Herz.


Vielleicht ist es Zeit, dass wir uns trauen, digitale Intimität nicht nur als Spielwiese, sondern als Schwelle zu etwas Echtem zu sehen.

Wer schreibt, kann auch sprechen. Wer fühlt, kann auch handeln.

 
 
 

2 Kommentare

Mit 0 von 5 Sternen bewertet.
Noch keine Ratings

Rating hinzufügen
Judith
14. Juli
Mit 5 von 5 Sternen bewertet.

Meine Liebe, wie immer sehr treffend von dir auf den Punkt gebracht.

Gefällt mir
katjawelters
katjawelters
22. Juli
Antwort an

Ich danke dir ❤️

Gefällt mir
bottom of page