Kein Anschluss unter dieser Nummer! Bereitschaftsdienst!
- katjawelters

- 15. Apr.
- 3 Min. Lesezeit

Der Frühling steht vor unseren Türen. Was gibt es da Schöneres, als nach den langen Wintertagen einmal für eine Zeit in den wärmenden Sonnenstrahlen zu sitzen? Den Alltag Alltag sein lassen. Den Moment genießen und einfach mal ABSCHALTEN.
Mit ein bisschen Übung hören wir vielleicht sogar bewusst das Summen der Bienen, spüren die leichte Brise auf unserer Haut, sehen das Funkeln des Lichtes in einem Glas, riechen den Duft der Erde, die sich langsam erwärmt. Entspannung.
Und doch…
Und doch bleibt da dieses vage Gefühl. Kaum wahrnehmbar und irgendwie dennoch so bekannt. Das Gefühl, dass NIE wirklich die gesamte Anspannung abfällt. Sie ist gut vermummt und möchte fast gar nicht bemerkt werden. Doch sie blockiert. Dabei geht es nicht darum, was im Außen gerade auf uns einprasselt – oder eben auch nicht. Es fühlt sich an wie eine innere Alarmbereitschaft, vielleicht eine leise Stimme, die uns sagt: „Bloß nicht alles loslassen! Es könnte ja gleich wieder losgehen.“
Es ist eine Art permanenter Wachsamkeit mit unterschiedlich starker Ausprägung, die schon so „normal“ ist, dass wir sie gar nicht mehr spüren. Und doch scannen wir unbewusst kontinuierlich unsere Umgebung. Jedoch nicht nach summenden Bienen, funkelndem Glas, duftender Erde – sondern nach Gefahr. Nach dem kleinen Zeichen, das uns unseren Einsatz signalisiert. Den Einsatz all unserer Ressourcen auf die Lösung eines Problems zu legen, das vielleicht einmal viel zu komplex und außerhalb unserer Verantwortung war – und um das wir uns doch kümmern mussten, um emotional zu überleben.
„Spüren, wie es den anderen geht, damit ich sicher bin.“ Ein erlerntes Muster, eine Schutzstrategie mit dem Gefühl, für das emotionale Gleichgewicht verantwortlich zu sein.
Und wir tun es immer noch. Doch diese ständige Bereitschaft überlastet uns – und äußert sich vielleicht in Schlafproblemen, Anspannung oder Erschöpfung. Sie plagt uns mit Schuldgefühlen, wenn wir mal „nicht da sind“. Sie treibt uns in die Überverantwortung in unseren Beziehungen und hindert uns daran, klare, gesunde Grenzen für uns zu erkennen und zu setzen – People-Pleasing. Wir sind stark, wir funktionieren… aber wir geben uns selbst eben wirklich NIE eine Pause. Und auch über Nacht reicht das kleinste Geräusch, um senkrecht im Bett zu sitzen und „bereit“ zu sein für… ja, für was genau eigentlich?
„Für WEN bin ich eigentlich in Bereitschaft?“
Und: „Wer ist das für mich?“
Und wieder die Frage: „Darf ich einfach da sein, ohne zu leisten?“
Zu bemerken, dass wir in einem kontinuierlichen Bereitschaftsdienst durchs Leben gehen, ist der erste wichtige Schritt. Also: zu erkennen, zu benennen und auch zu verstehen. Es geht nicht um die sofortige Lösung. Die Spannung erst einmal bewusster auszuhalten, ohne sie sofort zu regulieren, hilft uns, zu verstehen. Und wichtig ist hier: die Selbstfürsorge.
Wir können damit beginnen, Räume zu schaffen, in denen wir nicht auf Empfang sind. Doch es geht auch um Dinge wie: Einladungen oder Anfragen abzulehnen, ohne eine Ausrede zu erfinden. Also Entscheidungen zu treffen, die vielleicht nicht allen gefallen – die aber uns selbst guttun. Und das auch für freigemachte Zeit die dazu da ist, sich zu langweilen: für niemanden da zu sein und nicht produktiv zu sein. Und ja, wir dürfen auch mal leise sein. Genervt, leer und traurig.
Eine Sache ist es, sich Ruhe zu wünschen. Doch eine ganz andere ist es, sie sich selber WIRKLICH erlauben zu können. Denn wenn unsere bisherigen Erfahrungen – gerade in der Kindheit – dazu beigetragen haben, dass wir uns nicht sicher fühlen konnten, dann ist das ein hartes Stück Arbeit und braucht vielleicht auch professionelle Unterstützung.
Sich erlauben, die Ruhe nicht zu füllen. Sie spüren. Sie genießen. Und die Erfahrung zu machen, dass im Anschluss alles gut sein wird, ist vielleicht für einige Menschen einer der mutigsten Schritte.
Und so stehen wir vor der Frage: „Was brauche ICH gerade?“
Ich freue mich bereits auf dich, wenn es nächste Woche um das Thema "Die Zeit hinterfragt uns – und wir uns selbst“ geht.



Kommentare