Warum fällt es uns so schwer, uns schön zu finden?
- katjawelters

- 29. März
- 3 Min. Lesezeit

Kennst du das Gefühl? Du siehst einen Menschen, hörst ihm zu, lachst mit ihm – und in deinem Kopf denkst du: „Wie schön du bist.“ Nicht, weil dieser Mensch perfekt ist, sondern weil er einfach echt ist. Die Art, wie er sich bewegt, spricht, lacht – vielleicht sogar dieser Moment der Unsicherheit in seinen Augen, der ihm etwas Verletzliches und zugleich Unwiderstehliches verleiht.
Und dann stehst du vor dem Spiegel. Dein Blick bleibt an einer Kleinigkeit hängen. Einer Falte, einem kleinen Makel, einer Stelle, die du als „zu viel“ oder „zu wenig“ empfindest. Und plötzlich scheint alles andere, was dich ausmacht, in den Hintergrund zu rücken. Die ganze Komplexität, die dich als Mensch ausmacht, ist nur noch eine Sache, die du an dir „verbessern“ willst.
Das Thema ist nicht neu. Jeden Tag gibt es tausende von Posts und Ratschlägen, die uns sagen, wie wir uns besser fühlen, schöner sein können. Doch trotz all dieser Informationen, trotz des Zugangs zu immer mehr Tipps, hat sich in vielen Köpfen nichts verändert. Es scheint, als könnten wir die tiefen Wunden, die die Gesellschaft in uns hinterlassen hat, nicht heilen. Die Wunden, die uns die Idee eingebläut haben, dass wir nur dann gut genug sind, wenn wir irgendeinem perfekten Bild entsprechen.
Warum fällt es uns so leicht, die Schönheit in anderen zu sehen – und so schwer, uns selbst mit diesen Augen zu betrachten?
Die verzerrte Brille, durch die wir uns sehen
Wir wachsen mit Bildern auf, die uns sagen, was schön ist – und was nicht. Schon als Kinder lernen wir, welche Körper, welche Formen, welche Merkmale gelobt werden und welche nicht. Schönheit wird zum Maßstab für unseren Wert, unsere Zugehörigkeit, unseren Platz in der Welt.
Und so setzen wir diese unsichtbare Brille auf. Eine Brille, die uns nicht als Ganzes sieht, sondern nur in Fragmenten. Sie zeigt uns nicht unser Lachen, sondern nur unsere Zähne. Sie zeigt uns nicht die Wärme, die wir ausstrahlen, sondern jede Falte, die sich mit der Zeit gebildet hat.
Es ist eine Brille, die wir nie bewusst gewählt haben. Aber sie ist da, und wir können sie hinterfragen. Doch nehmen wir sie auch ab?
Der innere Kritiker und seine endlose Liste
Jeder von uns kennt diese Stimme, die sich meldet, wenn wir in den Spiegel schauen oder ein Foto von uns sehen. Diese Stimme, die uns eine Liste von vermeintlichen Mängeln präsentiert, als würde sie uns immer wieder sagen, was „nicht perfekt“ ist. Sie ist so laut, dass sie oft alles andere übertönt. Und doch wissen wir, dass wir mehr sind als diese Liste. Wir wissen, dass wir nicht unsere Fehler, sondern auch unsere Stärken sind.
Woher kommt diese Stimme? Vielleicht ist sie ein Echo aus alten Kommentaren, aus gesellschaftlichen Idealen und Ängsten, die tief in uns verankert sind. Vielleicht ist sie so laut, weil sie uns „schützen“ will. Sie warnt uns vor dem Moment, in dem wir uns nicht liebenswert oder akzeptiert fühlen. Sie sagt: „Verändere das, verbirg jenes, sei besser“, als könne Perfektion uns vor Ablehnung bewahren. Aber ist das je wirklich gelungen? Hat uns die ständige Selbstkritik je mehr Zufriedenheit oder Glück gebracht?
Die Angst, nicht dazuzugehören
Vielleicht geht es gar nicht um Schönheit. Sondern um diese tiefe, fast existenzielle Angst, nicht dazuzugehören. Nicht den Erwartungen zu entsprechen. Nicht „richtig“ zu sein. Aber wer hat eigentlich entschieden, was „richtig“ ist?
Wenn wir jemanden lieben, dann doch nicht, weil diese Person perfekt ist. Sondern weil diese Person eben „die“ Person ist. Wegen der kleinen Eigenheiten, die sie ausmachen. Wegen der Lachfältchen um die Augen, die uns eine Geschichte erzählen. Wegen der Leidenschaft, die sie für bestimmte Dinge hat. Wegen der Wärme, die sie ausstrahlt, wenn sie sich öffnet.
Warum glauben wir dann, dass wir selbst erst dann liebenswert sind, wenn wir all unsere vermeintlichen Fehler ausradieren?
Was, wenn wir uns selbst anders sehen könnten?
Vielleicht müssen wir uns gar nicht zwingen, uns „schön“ zu finden. Vielleicht geht es nicht darum, sich ständig selbst zu loben oder sich perfekt zu fühlen. Vielleicht geht es einfach darum, den Blick weicher zu machen. Nicht nur für andere, sondern auch für uns selbst.
Vielleicht könnten wir üben, uns nicht nur als Einzelteile zu sehen – nicht als Liste von „Mängeln“ und „Fehlern“, sondern als Ganzes. Vielleicht können wir diese alte Brille langsam absetzen und durch eine neue ersetzen. Eine Brille, die nicht nur Makel sucht, sondern die den Ausdruck, das Leben und die Echtheit in uns sieht.
Und vielleicht müssen wir nicht jeden Tag „Ich bin schön“ sagen. Vielleicht reicht es, wenn wir in den Spiegel schauen und uns sagen:
„Ich bin“ – und das ist genug!



Kommentare