Was bleibt, wenn Nähe geht – ein Text über Verbindung, Verlust und Freiheit
- katjawelters

- 14. Juni
- 3 Min. Lesezeit

Single!
Manche sagen: „Endlich!“, andere denken eher: „Hoffentlich ist das schnell wieder vorbei.“
Klar ist: In dieser Lebensphase melden sich Bedürfnisse – und ihre Erfüllung ist nicht immer leicht.
Also: Daten? Warum nicht!
Mit etwas Glück und dem passenden Ort – egal ob digital oder analog – kann es zu einem Match kommen.
Es folgen erste Nachrichten, ein vorsichtiges Austesten: „Wie tickt der andere?“
Und manchmal scheint es wirklich zu passen.
Wenn schließlich auch das erste Treffen stimmig wirkt, scheint das Glück perfekt.
Und dann – ganz plötzlich – zieht sich einer der beiden zurück.
Was habe ich falsch gemacht?
Kaum ist der Rückzug spürbar, stellen wir uns die Frage: „Was habe ich falsch gemacht?“
Und ebenso schnell folgen gut gemeinte Ratschläge:
„Der oder die andere ist halt ein Arsch.“ – „Du hast was Besseres verdient.“
Doch so einfach ist es meist nicht.
Wenn man gängigen Coaching-Videos glaubt, gibt es zahllose Seminare und Strategien, wie man denjenigen „zurückgewinnt“, der sich nach der ersten Nähe wieder entfernt hat.
Aber:
Sollte das wirklich unser Ziel sein? Oder gar unsere Aufgabe?
Wir kennen oft nur einen Bruchteil
Selbst wenn wir mit jemandem intensiven Kontakt hatten – letztlich kennen wir nur den Teil, den diese Person bereit war, mit uns zu teilen.
Vieles bleibt Verhalten – ohne Zugang zum inneren Erleben des Gegenübers.
Und gerade in Fragen von Nähe und Bindung lehne ich mich aus dem Fenster und sage:
Menschen handeln selten logisch – sondern emotional.
Selbst in echter Nähe können unbewusste Ängste wach werden:
„Was, wenn ich mich täusche?“ (Zweifel)
Verlust der Anfangseuphorie („Liebesrausch“)
„Was, wenn ich verletzt werde?“ (Fluchtreflex)
Angst vor Bindung oder vor dem Verlust von Freiheit
„Ich bin mir noch nicht sicher, ich brauche Zeit.“ (Abwarten)
Unterschiedliche Erwartungen
Emotionale Überforderung
Unbewusstes „Testen“ des Gegenübers
Die Palette an Möglichkeiten ist schier unendlich.
Und wir?
Wir bleiben oft zurück mit einem Gefühl der Ungewissheit.
Unser Bedürfnis nach Klarheit verlangt nach einer Erklärung –
denn der Schmerz der Enttäuschung kann uns sonst in einer Art emotionalem Nebel zurücklassen.
Was können wir tun?
Hier sind einige Gedanken, die hilfreich sein können:
1. Nicht persönlich nehmen
Wenn jemand Distanz sucht, hat das meist mit seinen eigenen Themen zu tun – nicht mit einem Fehler von dir.
Vielleicht drückt die Verbindung unbewusst Knöpfe, die etwas in der Person auslösen.
Das heißt aber nicht, dass du dich verändern musst.
Und auch nicht, dass du jetzt eine „Lösungsaufgabe“ bekommst.
2. Klar kommunizieren
Sag, was du dir wünschst – offen und ehrlich.
Beobachte, ob dein Gegenüber darauf eingeht oder ausweicht.
Manchmal sind wir einfach an unterschiedlichen Punkten im Leben.
Dann geht es manchmal mehr ums Aushalten als ums Verändern.
3. Nicht jagen
Wenn sich jemand zurückzieht, ist es oft besser, Raum zu lassen – statt sofort zu klammern.
Ja, das ist schwer. Denn unsere eigenen Bedürfnisse bleiben erst mal unbefriedigt im Raum.
Aber vielleicht kannst du diese Zeit nutzen, um für dich selbst zu klären, was du gerade wirklich brauchst. Denn so wie der Rückzug des Gegenübers etwas über dessen innere Prozesse aussagt, erzählt auch deine eigene Reaktion viel darüber, was in dir lebendig ist.
Vielleicht ist das genau die Einladung: Nicht nur auf den anderen zu schauen – sondern auch dir selbst zuzuhören.
4. Dein eigenes Tempo achten
Wenn dich jemand emotional verunsichert oder verwirrt, ist das oft ein Zeichen dafür, dass ihr nicht im Gleichklang seid.
Manchmal führt Raumgeben zu neuer Annäherung –und manchmal zeigt es dir auch, dass du etwas ganz anderes brauchst.
Schlussgedanken
Wir könnten uns natürlich zu einem dieser Rückgewinnungsseminare anmelden – und ja, sie enthalten sicher hilfreiche Strategien.
Oder wir entscheiden uns für einen anderen Weg:
den Blick von außen – die Meta-Perspektive auf das Geschehen und auf unser inneres Erleben.
Denn: Nur weil wir von jemandem nicht das Beziehungsangebot bekommen, das wir uns wünschen, bedeutet das nicht, dass dieser Mensch keinen Platz in unserem Leben haben darf.
Und manchmal – bei allem Verständnis für emotionale Prozesse und menschliche Unsicherheiten – dürfen wir auch feststellen:
Es tut mir nicht gut.
Das Gute ist:
Auch wir haben die Freiheit, zu gehen.
Wir müssen nicht bleiben, nur weil wir hoffen, dass sich etwas verändert –oder weil wir glauben, die Situation „verstehen“ zu müssen.
Vielleicht ist es heilsamer, sich nicht so sehr zu fragen:
„Wie bekomme ich ihn oder sie zurück?“ –
und stattdessen zu erforschen:
„Was hält mich eigentlich noch hier?“
Denn das Ende ist nicht immer etwas, das uns „passiert“ –manchmal wählen wir es selbst.
Es kann auch eine bewusste Entscheidung sein –ein Schritt hin zu mehr Klarheit, innerer Ruhe und echter Verbindung zu uns selbst.
Wenn wir weniger erwarten, gut mit uns in Verbindung sind
und uns bei jeder Veränderung nicht einem Ideal, sondern uns selbst treu bleiben, bleibt der Weg offen:
Für echte Begegnung –oder auch für einen Neubeginn.
Die Frage ist und bleibt:
Wie möchte ich ab heute damit umgehen – und was brauche ich wirklich?



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