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Bin ich dir lästig? – Die leise Angst, zu stören



Sie entschuldigt sich ständig.

Dafür, dass sie „wieder so viel geschrieben“ hat.

Dafür, dass sie sich „so lange nicht gemeldet“ hat – und fast im gleichen Atemzug

dafür, dass sie sich jetzt meldet.

Dafür, dass sie mit ihren Gedanken „nervt“.

Dafür, dass sie meine Zeit in Anspruch nimmt.

Dafür, dass sie da ist.

Dafür, dass ich sie "aushalte".


Und jedes Mal tut es mir im Herzen weh!

Weil ich weiß, dass sie nicht glaubt, dass sie willkommen ist – einfach so.

Dass sie ihren Raum bei mir hat.

Dass sie nichts „leisten“ muss, um gemocht zu werden.


Und doch verstehe ich sie. Vielleicht zu gut. Dieses feine, dauernde Gefühl, dass die eigene Existenz irgendwie… zu viel ist. Zu laut. Zu emotional. Zu fordernd. Zu da. Und wie leicht es ist, sich vorsorglich zu entschuldigen, bevor jemand überhaupt genervt sein könnte.


Vielleicht hat dieses Gefühl seine Wurzeln schon viel früher geschlagen – in Situationen, in denen Nähe etwas war, das man sich eher verdienen musste, statt sie einfach zu bekommen. Wenn wir die Erfahrung gemacht haben, dass unsere Gefühle als „zu viel“ abgetan wurden – ignoriert oder belächelt – oder dass Reaktionen auf uns unberechenbar waren – mal zugewandt, mal abweisend –, entsteht irgendwann diese leise Anspannung: „Ist das jetzt okay? War das schon wieder zu viel?“


Die gelernte Reaktion ist klar: „Besser sofort einmal entschuldigen.“ Bevor überhaupt Zeit da ist, zu sehen, wie unser Gegenüber reagiert. Ohne das kleinste Anzeichen dafür, dass irgendetwas „falsch“ war. Und ohne an ein wohlwollendes und wertschätzendes Feedback durch unser Gegenüber glauben zu können.


Für Harmonie sorgen!


Der Umgang kann dann zu Zurückhaltung als Schutzmaßnahme und ständiger Rücksicht als Strategie führen, um bloß nicht alleine gelassen zu werden. Das Recht, zu glauben, selbst gehalten werden zu dürfen, gibt es nicht.


Und manchmal zeigt sich dieses Gefühl auch ganz anders. Nicht in der Zurückhaltung – sondern in der ständigen Präsenz. In dem Wunsch, für alle da zu sein. Alles mitzutragen. Stimmung aufzufangen, bevor sie kippt. Gespräche am Laufen zu halten. Lücken zu füllen, bevor es unangenehm wird. Nähe zu schaffen, wo Distanz droht.


Menschen, die nach außen Raum füllen, können innerlich trotzdem das Gefühl mit sich tragen, zu viel zu sein. Sie geben viel – manchmal vielleicht mehr, als sie eigentlich haben – aus der Angst heraus, sonst nicht willkommen zu sein. Nicht gefragt zu werden. Vergessen zu werden.

Manchmal steckt hinter dem Wunsch, dass es allen gut geht, die stille Hoffnung, dadurch den eigenen Platz zu sichern. Die Angst, dass sonst vielleicht auffallen könnte, wie anstrengend man wirklich ist. Oder wie verletzlich.


Die Konsequenz? Ständiges Scannen der Umgebung: Was brauchen andere? Wie kann ich mich anpassen? Rückzug, bevor es Kritik gibt. „Wenn ich mich wieder melde, bin ich ihm/ihr bestimmt lästig.“ Übermäßige Entschuldigungen und Rechtfertigungen. Meinung runterschlucken, Gefühle zurückhalten. Beziehungen, in denen man sich klein macht. Und dahinter eine große Sehnsucht nach Verbindung. Eine dicke Mauer, die um die Angst vor Zurückweisung errichtet wurde.


Es ist der stete Versuch, die Dinge mit sich selbst auszumachen, um die eigene Verletzlichkeit nicht zu zeigen und vielleicht auch nicht spüren zu müssen. Angst, den eigenen Platz einzufordern – weil man ihn vielleicht nie hatte.


Das hier zu schreiben macht mich ein bisschen traurig. Denn ich möchte all diesen Menschen in meinem Leben sagen: „Ich bin DANKBAR, dass es dich gibt! Es ist mir eine Freude, dir Raum zu geben!“

Doch ich habe auch gelernt, dass dies leider nicht die Lösung ist. Aber wie finden wir den Weg aus dieser Situation?


Tja, wir könnten damit beginnen, uns einmal ehrlich zu fragen, wie uns unsere beste Freundin sieht.

Oft neigen wir dazu, uns selbst mit einem inneren Kritiker zu sehen, der uns ständig die Vorstellung verkauft, dass wir „zu viel“ sind oder dass unsere Präsenz anderen auf die Nerven geht. Aber was, wenn diese Annahmen gar nicht der Realität entsprechen?


Wenn wir uns fragen, was wir glauben, was andere über uns denken, erkennen wir oft, dass wir uns selbst in einem viel kritischeren Licht sehen, als es tatsächlich der Fall ist. Vielleicht ist die Vorstellung, „zu viel“ zu sein, gar nicht so sehr eine Meinung der anderen, sondern ein Bild, das wir uns selbst aufgedrückt haben – basierend auf eigenen Ängsten, Erfahrungen oder vielleicht sogar Erziehung.


Wenn wir diese Frage ehrlich stellen, können wir beginnen, die Erzählung in unserem Kopf umzuschreiben. Wir erkennen, dass unsere Wahrnehmung von uns selbst nicht zwangsläufig mit der Wahrnehmung der anderen übereinstimmt. Vieles, was wir für „zu viel“ halten, könnte in den Augen anderer schlichtweg als normal, interessiert oder sogar liebevoll wahrgenommen werden.


Letztlich geht es darum, unsere eigenen Ängste und Blockaden zu hinterfragen und Raum für eine gesunde, realistische Sicht auf uns selbst zu schaffen. Wenn wir uns nicht ständig fragen, was andere über uns denken, können wir vielleicht endlich beginnen, authentischer und freier zu leben.



 

 
 
 

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